„Es gibt noch etwas, das wir sehr unterschätzen: Der Wille zur Selbstzerstörung. In ganz vielen Ausprägungen gibt es das. Woher das kommt – sich selbst absichtlich schaden sollen – das müssen wir erst aufdröseln, bevor wir damit aufhören. Mir war das Narbenhaben damals total wichtig.“
Maximilian Pollux
Bereits früh in die Kriminalität gerutscht, verbrachte er zehn Jahre in Haft in Deutschland und den Niederlanden. Nach seiner Entlassung widmete er sich der Präventionsarbeit als Anti-Gewalt-Trainer, YouTuber und Podcaster. Er ist Gründungsmitglied des Vereins SichtWaisen e.V., der sich für innovative Jugendarbeit einsetzt, und arbeitet als Schriftsteller.
https://www.sichtwaisen-ev.de
Für meine Interviewreihe „Mach’s weg“ habe ich Interviews aus verschiedensten Perspektiven über die Corona-Krise, den Graben zwischen “Alternativ-” und Schulmedizin, und über eines der wichtigsten Themen im Leben geführt: Gesundheit. Aber was ist das überhaupt? Lassen sich Krankheiten und ihre Symptome einfach „weg machen“? Wieso kümmern sich Menschen umeinander? Und wie sähe ein Gesundheitssystem aus, das den Menschen in den Mittelpunkt stellt?
Die gesammelten „Mach’s weg“-Interviews sind hier als Buch zu bestellen.
Bildquelle: Maximilian Pollux
Laurens Dillmann: Wie verlief dein beruflicher Werdegang?
Maximilian Pollux: Ich habe mich schon mit etwa 12 Jahren für Kriminalität interessiert. Aufgrund falscher Vorbilder war ich sehr schnell darin tiefer und tiefer verwickelt. Weiter weg von einem „gesunden“ Beruf konnte ich wirklich nicht sein. Ich war Drogendealer. Chemiedrogen. Crystal Meth, als es noch nicht bekannt war, lange vor “Breaking Bad”. Es gibt kaum eine Droge, die sich verheerender auf die Gesundheit ihrer Konsumenten auswirkt. Nicht schön.
Mit 19 habe ich einen Haftbefehl bekommen, habe dann Deutschland verlassen und war im Ausland auf der Flucht. Mit 21 wurde ich verhaftet. Die nächsten 10 Jahre war ich im Gefängnis und habe dort das erste Mal einen Bezug zu meinem eigenen Körper und meiner Gesundheit hergestellt. Davor war mir alles egal. Hauptsache, ich konnte schnell davonlaufen oder kämpfen. Im Knast bin ich dann mit dieser alten Weisheit in Berührung gekommen: Dein Körper ist dein Tempel. Und ich habe mich daran gemacht, meinen Tempel schöner einzurichten, habe besser auf mich geachtet, psychisch und physisch.
Eigentlich war ich an diesem Punkt ziemlich lost. Verloren. Alle meine alten Glaubenssätze habe ich aufgegeben. Worüber ich mich früher definiert habe, vertrete ich nicht mehr. Das war eine schwere Zeit, sie hat Jahre gedauert. Ich sage immer: Ich habe mich trotz Gefängnis geändert, nicht wegen des Gefängnisses. Die Anstalt hat mir nicht geholfen, mich selbst zu finden oder neu zu entdecken. Du kannst sehr gut zehn Jahre sitzen, ohne eines dieser Dinge zu tun. Du musst dich überhaupt nicht ändern, wenn du in Haft bist. Ich kenne genügend Leute, die das nicht getan haben.
Nach meiner Entlassung stand ich da: Mit dieser Erfahrung aus fast zehn Jahren Kriminalität und fast zehn Jahren Haft. Es war ein blinder Punkt auf allem, was ich sein wollte. Wer war ich gestern? Darüber konnte ich nicht reden. Mit meinen Schwiegereltern nicht, beim Vorstellungsgespräch nicht – überall ein Problem. Dann ging der Gedanke los: Wie kann man dieses große Scheitern, dieses große Stigma, diese große Belastung für meine Psyche in etwas verwandeln, dass es vielleicht doch einen Nutzen hat? Im Business Talk würde man sagen: Ich habe meinen Unique Selling Point draus gemacht. Ich habe etwas erlebt, das ihr nicht kennt und vielleicht kann euch mein Beispiel einiges ersparen. (…)
Das ganze Interview gibt es exklusiv im Buch. Hier bestellen.
Sensationell , genau so isses.. nur so erreichen wir Intensivtäter ! Anstatt sie erneut zu traumatisieren, sollten wir Haft/Strafe durch Prävention ersetzen. Wie finden die Leute wieder ihre Gesundheit, ihren Selbstwert, Freude an Perspektive ? Nur so geht’s! Nach 36 Jahren Betreuung von verhaltensauffälligen Jugendlichen kann ich Maximilian Pollux nur gratulieren zu sich und seinen Ideen, Angehensweisen und Lehren zu Annehmen – Abholen und Mitnehmen auf die spannende Reise Zukunft !
Danke dir, Andrea-Elisabeth!