„Dieses weite Bild der TCM: 365 Akupunkturpunkte ineinander so vernetzt und verwoben mit ihren psychosomatischen Reaktionen, dass es so viele Wirkungen gibt wie Sterne am Himmel und die Verknüpfung mit den Wandlungen der Natur.”
Alexander von Hausen
Für meine Interviewreihe „Mach’s weg“ habe ich Interviews aus verschiedensten Perspektiven über die Corona-Krise, den Graben zwischen “Alternativ-” und Schulmedizin, und über eines der wichtigsten Themen im Leben geführt: Gesundheit. Aber was ist das überhaupt? Lassen sich Krankheiten und ihre Symptome einfach „weg machen“? Wieso kümmern sich Menschen umeinander? Und wie sähe ein Gesundheitssystem aus, das den Menschen in den Mittelpunkt stellt?
23 gesammelte Mach’s weg“-Interviews sind hier als Buch zu bestellen.
Laurens Dillmann: Wie verlief dein beruflicher Werdegang?
Alexander von Hausen: Der begann nach der Schule mit der Bundeswehr. Ich war Oberleutnant Jägerlehrbataillon 353, Ausbildung für Orts- und Häuserkampf in Hammelburg. Das war auch meiner Familienhistorie geschuldet. Es gibt in meiner Familie eine alte Militärtradition, für die mich mein Opa sensibilisiert hat und die bis ins 8. Jahrhundert zurückreicht. Damals habe ich aber schon gemerkt, dass ich mich mit Regeln und Normen schwer tue und ich bin als Oberleutnant der Reserve ausgeschieden. Durch das Hobby meiner Kindheit, Karate und Ausdauersport, das ich auf nationalem und internationalem Niveau betrieben habe, lag es nahe, irgendwas mit Sport zu machen. Deswegen folgte 1999 das Studium der Sportwissenschaften.
In diesem Jahr habe ich mich auch als Personal-Trainer selbstständig gemacht. Über die nächsten fünf Jahre war mein Steckenpferd Diagnostik & 1:1 Training. Zusätzlich bin ich noch auf Shiatsu gestoßen. Der Vater meiner ersten Freundin war Qigong-Meister, Meditationslehrer und Kampfsportler. Der hat damals das Pilotenzentrum der Bundeswehr in Masserberg geführt. Er hat mich zur Meditation gebracht. Meine erste Ausbildung dahingehend war in Transzendentaler Meditation. Das hat schon relativ früh aufgezeigt, dass sich bei mir das Thema Gesundheit in eine andere Richtung als die klassische entwickelt.
Über meine Auseinandersetzung mit Schmerz bin ich 2004 mit der “applied Kinesiologie” in Berührung gekommen. Das ist eine Diagnostik – und Behandlungsform, bei der man über Muskeltests Reaktionen des Klienten testen kann. Kinesiologie war der nächste Meilenstein zu einem ganzheitlichen Ansatz. Ich habe mich da richtig hineinbegeben, in die ganzen Zusammenhänge aus Muskeln, Organen und deren emotionale Zusammenhänge, Meridianpunkte und Behandlungstechniken. Das war für mich überwältigend!
Damals hat mich der Journalist Clemens Kuby inspiriert, der zu den Heilern dieser Welt gefahren ist und darüber das Buch „Unterwegs in eine andere Dimension“ geschrieben hat. So habe ich dann auch begonnen, die Welt zu bereisen und mir auf den unterschiedlichen Kontinenten die Meditations- und Therapiemethoden anzuschauen und zu erlernen. Nach dem Studium begann also eigentlich erst die große Ausbildungsreise: In Japan Shiatsu, in China chinesische Medizin, in den laotischen Bergen Osteo-Thaimassage, in Griechenland Craniosacraltherapie, in Deutschland & Schweden die strukturelle Osteopathie und Chiropraktik, in Deutschland Psycho-Kinesiologie, in der Schweiz eine Trauma-Ausbildung auf der Basis der chinesischen Medizin und noch einige weitere. Ich wollte die Werkzeuge in ihren Heimatländern erlernen: Wissen, was man dort isst. Mit den Menschen reden. Ihren Geschichten zuhören. Ich wollte dieses Wissen in mich aufsaugen.
Wenn ich etwas wirklich verstehen will, lehre ich. So habe ich über die Jahre meine eigene Ausbildungskonzeption entwickelt. Darin wird das Spektrum an diagnostischen Tests der Kinesiologie, die drei großen Ebenen Psyche-Struktur-Biochemie in die Perspektive der 5 Wandlungsphasen eingebunden. Ich denke, bis zum Lebensende wird mich die TCM (Traditionelle chinesische Medizin) beschäftigen. Dieses weite Bild: 365 Akupunkturpunkte ineinander so vernetzt und verwoben mit ihren psychosomatischen Reaktionen, dass es so viele Wirkungen gibt wie Sterne am Himmel und die Verknüpfung mit den Wandlungen der Natur. Da lernt man wirklich nie aus.
Was fasziniert dich? Wonach forschst du?
Mich hat schon immer der Wirkmechanismus von Psyche und Körper interessiert. Das Thema der Seele war aber anfangs nicht richtig griffig. Ich wusste für mich nicht: Was ist damit eigentlich gemeint? Ich habe also gesucht und bin in den schamanischen Traditionen fündig geworden, wo ich großartige Lehrer im sibirischen, nord- und südamerikanischen Schamanismus gefunden habe, die mich jahrelang in die Feinheiten eingewiesen haben. Die indianische Visionssuche zum Beispiel: 4,5 Tage ohne Essen und Trinken alleine im Wald an einer Stelle. Das lässt einen Stück für Stück mit tieferen Ebenen in Kontakt treten. Das krempelt die Erfahrung des Fühlens und Verstehens des großen Ganzen komplett um. Als ich damals diese Wolfspfote in der Hand hatte, und die Initiation mit meiner Wolfsnatur erfuhr, hat es mich durchzuckt, wie ich noch nie durchzuckt wurde. Ich hatte schon vieles unterschiedlich gesehen und verschieden gefühlt, doch hier gab es etwas Neues zu spüren. Dann brach etwas aus mir heraus, ein Geräusch, eine Kraft, die mich verändert hat. Über die Jahre sind dann weitere Begleiter an meine Seite gekommen: Bussard, Eule, Fuchs, Hirsch, Waschbär, Pferd.
In den alten schamanischen Traditionen sterben die Tierbegleiter im unmittelbaren Wirkkreis des Schamanen. Ein Teil des Körpers bleibt in der realen Welt und der andere wird in einem Feuerritual in die Anderswelt begleitet. So durfte ich staunend erleben, dass z.B. der Hirsch direkt zu meiner Quelle zum Sterben gekommen ist. Ähnlich die anderen Begleiter. Über die Jahre lernt man sich dann z.B. mit ihren Sinnen und Qualitäten immer besser zu verbinden oder sie in Ritualen zu rufen.
Ich hatte davor schon so viele rationale Ausbildungen hinter mir. Diese alten Ritualwerkzeuge bringen dich aber mit etwas im Innen in Kontakt, wie ich es zuvor noch nie erlebt habe. Ein Beispiel mit einer 70-Jährigen Klientin, die als Thema mitbrachte: Sie hat noch nie wirklich Freude aus der Tiefe gespürt. Sie erzählte mir, diesbezüglich auch schon viele Ausbildungen gemacht zu haben, und sie hat Kinder. Wir haben einen Feuerritualprozess über zwei Stunden durchgeführt. Sie hatte die Aufgabe, das Feuer zu hüten, die Flamme mit ihrem Atem zu nähren … Dann sitzt diese Frau da. Du siehst, etwas passiert in ihrem Inneren. Die Tränen laufen, sie schaut mich verwundert an und sagt: „Das ist diese innere Freude von der die Menschen immer sprechen.“ Und das macht meine Arbeit so reich. Ein buntes Potpourri an Dingen, die die Seele, den Körper und den Geist berühren. Körper folgt Geist folgt Seele.
Mit all diesen Erfahrungsschätzen: Was tust du, wenn ein Mensch zu dir in die Behandlung kommt?
Meine Leidenschaft ist die Psychosomatik. Der Großteil der Arbeit hat sich zu Mehrtagesprozessen entwickelt. Die Menschen kommen für 1-3 Tage nach Thüringen zum Dolmar. Mit meiner Partnerin Angela Klett, die mit den Werkzeugen der systemischen Familienaufstellung, Kinesiologie, Homöopathie und dem Räuchern arbeitet, schauen wir zusammen aus einer männlichen & weiblichen Brille auf das Wurzelthema des Klienten. Wir testen kinesiologisch am Körper, was das oben – und unten liegende Thema in Bezug auf familiär-körperliche Konflikte ist und stellen dies dann über die Aufstellungsarbeit auf. Basierend auf diesen Ebenen gehe ich dann weiter mit den Menschen in die Natur zu meinen Plätzen am alten Steinbruch, den Dolmarwiesen und Quellen und verbinde dies mit schamanischen Prozessen.
Es geht um das Verständnis, wie Körper, Geist und Seele ineinandergreifen. Es gilt, die Wurzel des Schmerzes bzw. der Verletzung zu finden, den Moment, in dem man mit der überwältigenden Emotion alleine war, diesen noch einmal zu spüren und ihn durch das Bewusstsein und die Perspektive des geschützten Erwachsenen zu heilen. Dabei sind die verschiedenen Behandlungswerkzeuge nur als Brücken zu verstehen. Wirkliche Heilung geschieht im Innen durch sich selbst. Der Mensch sollte dazu befähigt werden, einen liebevollen, fühlenden Kontakt nach innen, zum Körper und zum Schmerz aufbauen zu lernen. Und das Spannende ist: Wenn ich diesen rational mit dem Klienten erarbeitet habe und er die Wurzel erkennt, durchfährt mich ein Schauer am Rücken. Dann weiß ich, wir haben es gefunden. Die Wurzel. Die alte Verletzung. Wo niemand da war und geholfen hat, wo es so schwer war, wo wir richtig erschüttert wurden. Worauf all die einschränkenden Glaubenssätze und Verhaltensweisen aufbauen.
Wenn alte Last und alter Schmerz ausgeleitet und zurückgegeben ist, dann kann man sich dem eigenen Gefühlsbereich zuwenden und die getrennten und schmerzhaft angespannten Körperbereiche wieder mit Leben füllen. Dann kann das Wesen sich wieder entfalten. Die Prozessarbeit mit dem inneren Kind ist so fruchtbar. Der erwachsene Anteil unterstützt den Prozess und heilt die alte Verletzung alleine dadurch, dass das Bewusstsein darauf ruht. Ich begleite und halte den sicheren Raum. Vielleicht setze ich eine Stimmgabel auf einen Akupunkturpunkt, vielleicht trommele ich, arbeite mit dem holotropen Atem, mache eine osteopathische Technik, damit sich der Körper öffnen und entspannen kann.
Was ich wirklich jedem meiner Auszubildenden, meinen Klienten und Patienten mitgebe: Das Werkzeug der meditativen Innenschau. Meditation ist für mich einer der stärksten Wirkhebel überhaupt. Eine der wichtigsten Qualitäten, die es anfangs zu lernen gilt, ist, über eine gewisse Zeit eine stabile Aufmerksamkeit auf einem Meditationsobjekt halten zu können, das Bewusstsein dort zu bündeln, ohne dass dich die Ablenkungen deines Verstandes, des Körpers, der Geräusche und Geschehnisse in der Außenwelt hinwegnehmen. Erst wenn wir mit Gelassenheit den Fokus oder auch die entspannte Konzentration über eine längere Zeitspanne halten können, stellt sich der Zustand von Shamatha ein: Mühelose stabile Aufmerksamkeit, Gestilltheit, Gleichmut. Und dann erfährt man, dass von innen Freude aufsteigt, ohne dass man etwas bewusst dafür tun muss. Welch’ Erfahrung in einer Welt, in der die Menschen sich in sich selbst nicht mehr zu Hause fühlen.
Wie gelingt das, bei sich selbst anzukommen? Was hat das mit der Wurzel zu tun?
Über die Jahre sind in Berlin und Thüringen Plätze im Wald entstanden. In Berlin Grunewald habe ich über viele Jahre jedes Mal, wenn ich hingegangen bin, einen Stein mitgenommen. So ist dort eine große Pyramide entstanden. 5 Säulen für die 5 Wandlungsphasen und in der Mitte das Zentrum, das die verschiedenen Chakren symbolisiert. An einer anderen Stelle habe ich in einem 6x6m großen Feld die unterschiedlichen inneren und äußeren Qualitäten (Wasser, Erde, Donner, Wind etc.) aus dem I Ging nachgebildet. Dort gilt es, sich mit diesen Qualitäten zu verbinden. In den schamanischen Traditionen baut man das Meiste selbst und so haben sich über die Jahre dort diverse Holzarbeiten entfaltet: eine Runeneiche mit den 24 Runen des Futhark, Symbolfiguren für das männliche und weibliche Erbe unserer Vorfahren, eine Holzschlange für den ewigen Wandel in Natur und Mensch. Ich freue mich immer, wenn Menschen diese versteckten Plätze durch Zufall finden und voller Verwunderung mit großen Augen staunen. Wenn du so viel Zeit im Wald verbringst und schläfst, ver-rückt man sich für sich selbst und Außenstehende schon ein bisschen. Darüber kann ich wohlwollend lächeln. Wie in einem der alten chinesischen Klassiker steht: Die alten Schamanen wandelten schon immer an der Schwelle von Erkenntnis und Wahnsinn. Dieser ganze Weg ist wahnsinnig bereichernd. Dann lernst du mit Tieren, Pflanzen und Elementen zu kommunizieren. Das ist nichts anderes, als über die verschiedenen Sinneswerkzeuge Kontakt und Verbindung mit der eigenen Umgebung herzustellen.
Ich arbeite an diesen Plätzen auch mit meinen Klienten. Wenn die Menschen zu sehr im Kopf sind – was ein großes Thema dieser Zeit ist: die diffuse Angst, die unsichere Krisensituation – passiert das, was die Chinesen eine „obere Fülle“ nennen. Da ist das Bewusstsein nur noch zwischen den Ohren, kreist um sich selbst, sucht Auswege und Lösungen. Die Chinesen sagen: Dann gilt es, als Ausgleich eine „untere Fülle“ zu kreieren. Die Verbindung zum Boden und zur Erde fehlt den Menschen, die nur noch auf Beton wandeln. Da grabe ich denjenigen auch schon mal in den Boden im Wald knietief ein. Da beginnt es zu greifen, was mit dem rationalen Verstand nicht zu greifen ist.
Es ist so schwer zu sagen: Sind wir Natur? Gehören wir zur Natur? Oder sind wir vielleicht etwas anderes, weil wir uns so atypisch zu allen anderen Lebewesen verhalten? Auf jeden Fall ist es so: Wenn wir der Natur gegenüber respektvoll sind, wird sie sich mit uns verbinden. Dieses Verbinden mit der Erde, dem Himmel, den Pflanzen und Tieren ist ein großer Aspekt, um wirklich bei sich selbst anzukommen.
Was für Kritik an deiner Arbeit erfährst du?
Einmal traf ich eine Biologin, die mir sagte: “Ich finde deine Arbeit ja sehr spannend. Aber ist das überhaupt belegbar? Ich glaube nicht so richtig dran.” Ich sagte ihr: Du, ich habe sechs Jahre Sportwissenschaften studiert und eine Ahnung davon, dass Studien und Wissenschaftlichkeit zu großen Teilen etwas Gedankliches sind. Ich mag den Satz: “Die Wissenschaft, die Wissen schafft und doch so wenig Heilung bracht.“ Das ist nicht absolut gemeint, da wir der Forschung ja auch viel zu verdanken haben.
Durch verschiedene Diagnostiken versuche ich dem rationalen Geist aufzuzeigen, welche Beeinflussung diese Arbeit auf den Körper hat. Mein nächstes Buch wird wohl „Brücke zwischen den Welten“ heißen, wo ich die alten Rituale und Werkzeuge mit den diagnostischen Tools belegbar und sichtbar machen möchte. Wenn man Meditation zum Beispiel mit EEG (Messung der elektrischen Aktivität des Gehirns) misst, lässt sich sehen, wie sich die Beta- und Theta-Wellen verändern. Dazu kommen die Herzratenvariabilität-Untersuchungen mittels EKG. Hierüber kann man aufzeigen, wann der Vagusnerv aktiv arbeitet. Es ist so spannend zu beobachten, dass sich während der Mehrtagesprozesse in der Natur, wenn ich die HRV mit aufzeichne, das Stresslevel der Menschen deutlich reduziert. Ein Ausdruck von Sicherheit und Vertrauen.
Du nennst dich Peacemaker. Was hat Frieden mit Gesundheit zu tun?
Krankheit ist an sich nicht schlecht. Nur der Fingerzeig, dass im großen Zusammenspiel der Systeme eine Schwachstelle ist: Spür da mal hin. Da hast du dich lange nicht mit beschäftigt. Da will was an die Oberfläche des Bewusstseins. Also kreiert sich dieses Krankheitsthema als Chance, um geheilt zu werden. Da ist keine „Liebe“. Da ist kein Frieden. Mir geht es um die Polarität der Dinge: Frieden passiert nicht von alleine. Frieden gilt es zu schützen. Für Frieden darf man wieder auf die Straße gehen. Frieden ist eine Form der Ruhe, des Fließens und der Verbindung mit allem. Und dieser Frieden ist brüchig. Was wir unmittelbar hierfür tun können, sind die Konflikte in unserem Umfeld mit Familie, Partner und Freunden zu befrieden. Wenn wir das nicht schaffen, wie sollen es dann erst Parteien und Länder bewirken?
Ich mag deine kritische Überschrift „Mach’s weg“. Jeder Therapeut, der sich tiefer mit Ursache und Wirkung beschäftigt, kommt zur Erkenntnis: Solange wir die Symbolik hinter dem Konflikt und dem Schmerz nicht wirklich verstanden haben, wird sich nichts verändern. Also müssen wir das erst mal verstehen. Mit dem Konflikt in Kontakt treten, von allen Seiten fühlend betrachten. Keiner trägt in einem Konflikt wirklich die „Schuld“, aber beide sind durch die Zeit beteiligt. Die Chinesen sagen: Krieg – gleichbedeutend mit Schmerz – ist der Schrei nach frei fließender Energie. Also gilt es, etwas ins Fließen zu bringen. Ruhe und Frieden im Innen zu bewirken, die Konflikte, die sich über den Körper reinszenieren, zu klären, ist ein wichtiger Teil meines Verständnisses als Therapeut.
Wie kommt die Seele zurück in die Medizin?
Eine meiner ersten Initiationen war etwas, das eigentlich ganz bekannt ist, weil es viele Väter mit ihren Kindern machen. Sie pflanzen einen Baum, pflegen und hegen ihn. So könnte das auch mit unserer Seele vonstatten gehen. In Kontakt mit ihr sein, mit allem um uns herum und in uns selbst. Mit den Pflanzen und den Bäumen, und den Wind auf der Haut spüren. Jenseits des Geistes ist die Seele. Wir brauchen den Verstand, um das begreifen zu können. Um die Seele dann wirklich zu erfahren, gilt es, sich auch wieder vom Verstand zu lösen.
Die Medizin scheint sich zu großen Teilen dahingehend verloren zu haben, dass es um „Symptome weg machen“ und um schnellstmöglich wieder zu funktionieren geht. Doch dieses Funktionieren, dieses höher, weiter und schneller hat seinen Preis, da kommt unsere Seele nicht mehr mit. Die Rückerinnerung zur alternativen Naturmedizin und dem gesunden Menschenverstand in Bezug auf Gesundheit und Krankheit darf sich hoffentlich wieder neu kalibrieren.
Wie sähe ein Gesundheitswesen nach deinen Werten, Wünschen und deinem Menschenbild aus?
Hier gilt auch wieder, das Alte zu ehren und das Neue willkommen zu heißen. Als ich in China war und dort früh morgens um 6 Uhr mit meinem Lehrer Qi Gong geübt habe … da gab es Tanzgruppen, Kung-Fu-Gruppen, Tai-Chi-Gruppen, Gymnastikgruppen. Eine unglaubliche Vielzahl an Menschen, die sich frühmorgens in den Parks getroffen haben. Dieses kontinuierliche, freudvolle Tun mit dem Körper und mit den Menschen zusammen gemeinsam, das geht gerade jetzt verloren. Ich finde es kritisch, dass im Namen der Gesundheit während der Corona Zeit Bewegung sanktioniert wird. Unser vorderer Vagusnerv lebt natürlich von Kontakt und Kommunikation. Angst lähmt ihn.
Die alten Traditionen haben uns schon immer Bewegung und das soziale Miteinander gelehrt. Auch in der DDR gab es den gemeinsamen Morgensport. Die Asiaten trinken nicht nur Tee, sie machen eine schöne Zeremonie daraus. Sie legen mehr Bewusstsein in das Essen. Sie zelebrieren es gemeinsam. Sie essen nicht aus Funktion, sondern aus Ritual und Wertschätzung. Also: Raus aus der Maschinerie des Tuns und Funktionierens durch das bewusste Erleben des Momentes. Schau dich mal um. Was für Dinge existieren eigentlich um dich und was kannst du damit anfangen? Wir brauchen den ganzheitlichen Blick auf die große Natur und die Gesetzmäßigkeiten des Wandels und der Polarität. Und das Akzeptieren dessen. Also auch das Akzeptieren der Meinungsverschiedenheit. Körper folgt Geist folgt Seele.
Foto-Credit: Alexander von Hausen