Die musikalische Hausapotheke – mit Gesangs- und Musiktherapeutin Saskia Baumgart

Das komplexbeladene „Ich kann nicht singen, malen, tanzen, kreativ sein. Besser, ich lasse es. Ich will die anderen nicht mit meinen schrägen Tönen quälen.“ Eigentlich ist darin eine große Trauer eingelagert. Es ist Ausdruck von Lebendigkeit und Kreativität, seine Stimme zu erheben. Und zwar nicht nur sprechend-monoton, sondern in alle Höhen und Tiefen.


Saskia Baumgart

Die ausgebildete Sängerin (Klassik, Jazz/Pop, funktionale Methode) und studierte Musiktherapeutin ist Vokal-Artistin, Vocal-Coach und Heilpraktikerin. Sie absolvierte Weiterbildungen in Somatic Movement Arts, Stimm-Anthropologie, Hypnose-Coaching, Trauma-Dynamiken und Ethnomedizin. Als Gesangs- und Musiktherapeutin verbindet sie Stimme, Körper und therapeutische Ansätze, um tiefgehende Ausdrucks- und Heilungsprozesse zu fördern. Sie gibt Konzerte als Solistin und in Ensembles.
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Für meine Interviewreihe „Mach’s weg“ habe ich Interviews aus verschiedensten Perspektiven über die Corona-Krise, den Graben zwischen “Alternativ-” und Schulmedizin, und über eines der wichtigsten Themen im Leben geführt: Gesundheit. Aber was ist das überhaupt? Lassen sich Krankheiten und ihre Symptome einfach „weg machen“? Wieso kümmern sich Menschen umeinander? Und wie sähe ein Gesundheitssystem aus, das den Menschen in den Mittelpunkt stellt?

23 gesammelte Mach’s weg“-Interviews sind hier als Buch zu bestellen.


Laurens Dillmann: Wie verlief dein beruflicher Werdegang?

Saskia Baumgart: Schon in jungen Jahren wurde ich auf eine klassische Gesangskarriere vorbereitet und darin ausgebildet. Das habe ich alles durchlaufen, um dann letztendlich an der Schwelle zu dieser Welt festzustellen: Ups, das ist ja gar nicht die meine. Viel zu eng und festgelegt. Hier würde ich seelisch und künstlerisch nicht glücklich werden können. So bin ich auf einen anderen Weg abgebogen. Ich habe weiterhin Musik gemacht, auch auf der Bühne. Aber neben klassischem Gesang habe ich ganz viel andere Musik gemacht. Psychedelischen Rock, Jazz, Pop, Elektro und und und. Mir stellte sich natürlich die Frage, in welche Richtung es beruflich geht. Durch eine frühe prägende Erfahrung mit einer Musiktherapeutin kam ich auf die Idee, dieses Fach selbst zu studieren. So habe ich beide Stränge verbunden: Den Gesang, den ich dann auch unterrichtet habe, und die Musiktherapie. Weiterhin habe ich Konzerte gegeben. Dadurch habe ich eine Art Dreiklang erschaffen: Ich stehe selbst als Sängerin und Musikerin auf der Bühne, unterrichte andere darin in einer Art Coaching, und bin Musiktherapeutin, die mit Klängen heilt. 

Dieser Hang zum Heilen wurde früh befeuert, als ich als Teenager mit den Themen Tod, Sterben und Verlust in Kontakt kam. Das hat mir Tore zu den großen Schlüsselfragen des Lebens und einem spirituellen Verständnis geöffnet. Wer bin ich? Wo komme ich her? Wo gehe ich hin? Was ist hier meine Aufgabe, mein Sinn und Zweck? Ich habe dann sehr intensiv angefangen, zu reisen. Mich haben Ursprungskulturen sehr stark angezogen. Das waren fast immer indigene Kulturen, an abgelegenen Orten wie der Mongolei, dem Amazonas und in Wüsten z.B. in Arizona und der Wüste Gobi. So war ich bei diesen Völkern und ihren Medizinleuten – Schamanen, wie sie genannt werden  – zu Gast und habe dort verschiedenste Erfahrungen mit dieser Art von heilerischer Arbeit gemacht. Ich lernte über den körperlich-geistig-seelischen Ursprung des Lebens, die Transzendenz. Das war sehr intensiv und sehr umfassend. Und hat im Prinzip mein ganzes Leben neu aufgestellt.

Die Musik und speziell der Gesang waren dabei für mich immer zentrale Schlüsselelemente. Sie sind mein Hauptwerkzeug, das mir geographische und psychische Räume geöffnet hat und Brücken baut zwischen verschiedenen Kulturen. Ich konnte nicht mit allen Menschen auf der Welt dieselbe Sprache sprechen. Aber die universelle Sprache der Musik ist der Öffner, um miteinander auf eine klare, friedvolle und angstfreie Art sein zu können. Das hat mich am meisten dazu inspiriert, mich mit genau diesen Medien – Musik, Klang, Gesang – auf eine unorthodoxere Art zu befassen als die, die ich gelernt hatte.

Nun wird ja allmählich klar, dass wir Menschen uns und diesen Planeten bis an den Rand der Zerstörung gebracht haben. Und wir müssen uns fragen: Was ist eigentlich mit uns los, dass wir so blind diesem Kurs folgen, der nicht besonders intelligent ist? Anstatt dem, was Goethe das „Gute, Wahre und Schöne“ genannt hat. Es gibt ein universelles Verständnis davon, was Schönheit ist, wenn sie nicht nur an der äußeren Fassade vorgetäuscht wird, sondern von innen als innere Stimmigkeit nach außen strahlt. Mir geht es bei meiner Arbeit darum, das Bewusstsein der Menschen dafür zu öffnen. Gesang, Klang und Musik können diese Schönheit berühren – tiefer als auf einer mentalen Ebene. Wir geraten dabei auf die Ebene der Liebe, wo wir am stärksten fühlen und berührbar sind. Wo wir wissen: Da will ich eigentlich hin. Das ist der Ort, wo ich sein will und wo ich herkomme.

Was genau tust du mit den Leuten, die zu dir in Therapie kommen?

Ich arbeite in unterschiedlichsten Bereichen. Einmal die Woche gehe ich in ein Hospiz für sterbende Erwachsene. Einmal die Woche in ein Kinderhospiz. Einmal in eine Klinik für Psychotherapie und Psychosomatik, wo die meisten Menschen an Depressionen leiden. Ich arbeite auch mit Autisten.

Die Leute, die direkt in meine Praxis oder mein Studio zu mir kommen, wollen Verschiedenes. Manche wollen sich über den Weg der Stimme in ihrem künstlerischen Ausdruck weiterentwickeln. Andere haben tieferliegende Themen, die sie freilegen, lösen und harmonisieren wollen. Letztendlich geht es immer um eine tiefere Verbindung mit sich selbst. Mit dieser Form von Energie oder Kraft, mit der wir permanent mehr oder weniger unbewusst zu tun haben. Diese Energie können wir über Klang und Musik hörbar machen. Sie ist ein Spiegel von uns selbst. Eine Reflexionsebene. Wir können hören, wie wir klingen, wie wir schwingen, wie wir gestimmt sind. Und wie wir mit der Welt in Resonanz treten. Und wie die Welt uns erwidert. Wie es in den Wald schallt, schallt es so oder so ähnlich zurück.

In dieser Art von Spiegeleffekt fungiere ich als Spiegel, und gleichzeitig als jemand, der Möglichkeiten anbietet, um über bestimmte Grenzen hinauszugehen und einen größeren, weiteren Freiraum zu betreten. Das ist ein spannender Job als Reisebegleiterin. Da wir hier von allen Ebenen sprechen – körperlich, geistig, seelisch – ist die Arbeit sehr kraftvoll. Manchmal muss gar nicht viel passieren und trotzdem ist klar, das geht tief. Ich muss gar nicht invasiv arbeiten. So gelangt man an eingelagerte seelische Schätze, die sich oft unter oder hinter den vermeintlichen Problemen, Wunden und Narben verbergen. Es ist Perlentaucherei in tiefem Gewässer.

Was hat Musik mit unserer Gesundheit zu tun?

Musik ist eine klare und starke Form von Seelennahrung. Eine Unterstützung unserer emotionalen Innenräume, die oft schwer greifbar sind. Man kann etwas in sich selbst besser begreifen, das über einen Rhythmus oder eine Melodie erscheint. Das führt zu Aha-Momenten, oftmals zu Erleichterung und Lösung von Verknotungen, von denen man plötzlich weiß, warum man sie hat. Plötzlich kommt etwas wieder in den Fluss, angeregt durch Klangwellen, durch bestimmte Bewegungssequenzen, die uns in einen Rhythmus mitreißen. Es tut etwas mit uns, wir kommen wieder in eine Vitalität, in eine höhere Lebendigkeit. 

Oft greifen wir bewusst oder unbewusst danach. Fast jeder Mensch hat eine musikalische Hausapotheke, die er mit sich herumträgt oder irgendwo stehen hat. Inzwischen ist erforscht, wie und warum Musik auf uns wirkt, auch in Hinblick auf ihre Heilwirksamkeit. Das Wirkspektrum jenseits von Unterhaltung wird genauer untersucht, mit zum Teil erstaunlichen Ergebnissen, zum Beispiel in der Demenzforschung oder Depression, Palliativmedizin & Musiktherapie, etc.

Menschen legen sich eine bestimmte Musik auf, wenn sie zum Beispiel traurig sind. Um wieder mehr Leichtigkeit, Fröhlichkeit zu empfinden, oder auch, um sich zu beruhigen. Wenn zu viel Spannung in uns herrscht, gibt es viel musikalisches Material, das uns dabei hilft. Einigen Menschen hilft laute explosive Musik, wie Heavy Metal. Andere suchen und brauchen das genaue Gegenstück, nämlich etwas Harmonisches wie meditative Klänge oder Minimal Music. Letztendlich ist Musik eine Brücke zwischen dem feinstofflichen und dem grobstofflichen Bereich. Von der Ebene, wo Ideen, Visionen und Träume zuhause sind – dem quasi Unsichtbaren – und dem, wo wir die Welt sehr konkret anfassen, spüren und begreifen können. Dazu könnte ich noch viel sagen. Musik ist Medizin und kann Totgeglaubtes reaktivieren. Das sieht man bei Demenzkranken, wenn sie anfangen, wieder zu singen. Es gibt kaum einen Bereich, in dem nicht mit Musik gearbeitet wird.

Welche Rolle spielt der Körper in deiner Arbeit?

Wir können unseren Körper vergleichen mit dem Körper eines Musikinstrumentes, wie zum Beispiel der Gitarre. Dadurch können wir betrachten, wie dieser Körper geformt und gestimmt ist, auch was die Spannung, den Tonus angeht. 

Je nachdem, wie ich mit diesem Klangkörper umgehe, ihn hege und pflege und nähre, so ist auch das klangliche Ergebnis. Das kann man durch bestimmte Übungen direkt erfahren. Indem ich z.B. an mein Lieblingsessen denke und das stimmklanglich kommentiere – “Mmmh” und dabei innerlich empfinde: “Mmmh – lecker”, bewegt sich die Stimme sofort in ihren optimalen Stimmsitz. Dies aktiviert das Mitschwingen unseres Klangkörpers, als Resonanz, der hörbar wie fühlbar einen runden, kraftvollen Ton ergibt, der entspannt und mühelos im optimalen Bereich schwingt. Ich arbeite gerne mit solchen kleinen Interventionen, Tricks und Kniffen, wo letztendlich jeder Mensch sofort Bescheid weiß: Ja, stimmt. Habe ich schon mal erlebt, kenne ich. 

Bei zwei sich streitenden Menschen wird man beobachten können, dass die Resonanzkörper immer mehr verspannen und verhärten, die Bodenhaftung verlieren. Die Stimmen werden höher, schriller, unangenehmer, dissonanter. Bis hin zu hysterischem Keifen und völliger Verstimmung. Das klingt wie Klangfolter. Vor dem Streit können es noch ganz harmonische Stimmen gewesen sein. Diese Verformung geht schnell.

Solche Prozesse finden permanent statt. Wenn wir es innerlich nicht spüren können, können wir über unseren Stimmklang als diagnostisches Mittel prüfen: Wie bin ich eigentlich gerade drauf? Was brauche ich gerade? Was ist in mir an depressiver oder fröhlicher Stimmung, Lebendigkeit, Müdigkeit, Energielosigkeit, Vitalität? Von sehr einfachen bis zu subtilen Bereichen kann man all das und vieles mehr aus der Stimme lesen. Das bringe ich meinen Schülern und Klienten auch bei, sich selbst gut erforschen und erfassen zu können, um sich selbst effektiver regulieren zu können und auch im Umgang mit anderen selbstbestimmter handeln zu können. In einer stimmigen Art und Weise.

Warum haben Menschen Stimmblockaden? 

Je mehr ein Mensch mit sich verbunden ist, und damit auch in gefühlten Kontakt mit seinem Zentrum im Bauchbereich, desto gesünder ist er und desto stimmiger klingt er. Als Gegenüber eines solchen Menschen können wir das wahrnehmen. Wir reagieren darauf und stimmen uns per Resonanzprinzip ein. Unter anderem deshalb empfinden wir manche Menschen als angenehmen Umgang und manche weniger.

Das Zentrum im Bauch ist der Wesenskern. Er steht für Bedürfnisse, für Gefühle und die innere Wahrheit. Wenn man nicht mit diesem Innenraum verbunden ist, ist man abgeschnitten von der eigenen Kraft. Der Zugriff zu Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen, was über das eigene Kraftlevel entscheidet, kommt aus dem Bauch. In unserer mental überaktiven, ultra-verkopften Kultur ist es tatsächlich ein Problem, dass viele Menschen diesen Zugang nicht mehr haben. Diejenigen, die ihn haben, sind entweder Naturtalente oder haben sich das mühevoll zurückgeholt und erarbeitet. Meistens bedingt durch Krisen, Schicksalsschläge, Leiden. Oder durch plötzliche Erkenntnis.

Kann jeder Mensch singen?

Ja. Wie Joseph Beuys schon sagte: Jeder Mensch ist ein Künstler. Also ist auch jeder Mensch ein Sänger. Es ist uns naturgegeben. Singen hat eine existenzielle Funktion. Wenn wir es nutzen, üben, trainieren und kultivieren, dann können wir es, weil wir damit im natürlichen Umgang vertraut sind. Wenn ich es nicht tue, verlerne ich es natürlich.

Alle Kinder singen, und zwar in der Regel, bevor sie anfangen zu sprechen. Gesang ist die Ursprache. Dadurch erlernen Kinder die Sprachfähigkeiten. Über das freie Lautieren-Singsangen-Summen-Brummen, das Experimentieren mit ihrer Stimme. Kinder sind totale Improvisationskünstler, noch sehr frei und ungehemmt. Diese Hemmungen setzen erst später ein, mit Konditionierung und Erziehung, mit kultureller Überformung. Dann kommt oft das komplexbeladene „Ich kann nicht singen, malen, tanzen, kreativ sein. Besser, ich lasse es. Ich will die anderen nicht mit meinen schrägen Tönen quälen.“ Eigentlich ist darin eine große Trauer eingelagert. Es ist Ausdruck von Lebendigkeit und Kreativität, seine Stimme zu erheben. Und zwar nicht nur sprechend-monoton, sondern in alle Höhen und Tiefen. Und damit auch frei zu surfen. Das hat eine sehr befreiende, entspannende Wirkung.

Auf welche Werte berufst du dich?

Humanismus. Dem fühle ich mich zutiefst verpflichtet. Die Liebe zum Menschen und auch die Liebe zum Leben leiten mein Handeln, und auch mein Denken und Wahrnehmen ist sehr stark von dieser Liebe zum Leben geführt und geformt. Das ist mein inneres GPS.

Warum kümmerst du dich um andere Menschen?

„Kümmern“ ist ein schwieriger Begriff, das klingt immer schnell nach Helfersyndrom. Es klingt nach Geben, um etwas zu bekommen. Das ist eine manipulative Haltung, die nicht gesund ist. Da gerät es in Schräglage und davon grenze ich mich ab. Es ist mir eher eine ganz tiefe Freude, diese existenzielle Liebe, die Schönheit und das Staunen über das Leben zu teilen. Das ist unheimlich erfüllend, beglückend und befreiend. Ich brauche keine Ideologie, keine Religion, keine Wertgegenstände, um meinen inneren Hunger zu stillen.

Was macht Corona mit unserem Verständnis von Gesundheit?

Gesundheit ist für mich ein Zustand des Einsseins mit sich und der Welt. Innere Harmonie, die nach außen abstrahlt. Die Worte Genährtsein und Selbstfürsorge sind dafür zentral wichtig. Nahrung in Form von Lebensmitteln als auch seelische Nahrung wie Beziehung – zu anderen Menschen, der Natur und dem Leben generell. Es gibt auch geistige Nahrung in Form der Informationen, die ich mir zuführe und die mir hoffentlich dienen. Ich spreche von Kunst, Poesie, Literatur, die mir helfen, mich anzubinden an einen höheren Lebenssinn, der mir gut tut. 

Leider sieht es auf kollektiver Ebene anders aus. Wir sind gefangen im Stress. Gefangen in uns selbst, nicht mehr frei im Austausch mit anderen Menschen, der Natur, dem Leben. Das ist ein Grund, warum viele Menschen in Depressionen oder andere Erkrankungen kippen. Wenn man dahinter schaut, ist es oft ein seelisches Hungern. „Liebe und Frieden“ – ja bitte gerne, sagen wir alle. Aber die Frage ist, wie kommen wir dahin? Wie können wir das in uns selbst etablieren und miteinander teilen, ohne uns selbst dabei zu verkaufen?

Momentan sehe ich durch diese besondere Corona-Situation, dass die Lage sich zuspitzt. Viele Menschen haben immer mehr Angst vor Krankheit, bis hin zu Panik und Paranoia. Bis hin zum Selbstmord und anderen Formen der Selbstzerstörung. Andererseits ist dieser erhöhte Druck ein Katalysator für inneres Wachstum in Richtung wirklicher Gesundheit, die nachhaltig und ganzheitlich entwickelt werden kann. Nicht nur von einzelnen, die das ohnehin schon wissen und anwenden, sondern auch von einer breiteren Masse. Die braucht es, damit größere Veränderungen zum Wohle aller stattfinden können. Dafür wiederum braucht es eine wachsende Mehrheit, die ein größeres Verständnis von Gesundheit gewonnen hat. 

Und diese Zeichen sehe ich ganz klar. In der Medienlandschaft. Im Kontakt mit anderen Menschen. Ich höre es in Gesprächen auf der Straße, im Café, wo auch immer ich bin. Ich merke, ein bestimmtes Vokabular ist im Umlauf, das vor ein paar Jahren noch nicht da war. Ein Vokabular, das eine größere Ganzheitlichkeit im Denken und Handeln verrät. Es ist ein häufigerer, sich organisch anfühlender Gebrauch von Vokabeln wie Seele, Transzendenz, Meditation, Achtsamkeit, Bewusstsein, ganzheitlich, spirituell, in einem Sinne, der nicht mehr abwertend ist, sondern integrativ.

Offenbar ist es vertrauter und normaler geworden, die eigene seelische Dimension zu benennen und auf dem Schirm zu haben. Es wird nicht mehr so sehr als Spinnerei abgetan. Heilung wird massenkompatibler, allgemeinverständlicher. Yoga, Meditation, Achtsamkeit, gesunde Ernährung sind viel mehr im Umlauf, werden gar zu Trends. Inklusive Prävention und Selbstverantwortung, wo der Mensch sich auf den Weg macht, für sich zu sorgen, bevor es ein Problem gibt. Da ist ein ganz anderes Grundverständnis gewachsen, was mich sehr freut und mir Hoffnung gibt.

Fühlst du dich gesellschaftlich angemessen gewürdigt für das, was du tust?

Ja. Ich fühle mich gut am Platz, da wo ich bin. Und sehe, wie immer mehr Leute den Weg zu mir finden, die vor ein paar Jahren noch nicht zu mir kamen. Im staatlich institutionellen Sektor ist es allerdings auffällig, wie vergleichsweise wenig die Arbeit am Menschen und auch künstlerische Arbeit honoriert werden. Das ist ja leider nichts Neues. Dagegen gibt es im nicht-institutionellen Sektor eine ganz andere Art der Wertschätzung, auch auf monetärer Ebene. Dazwischen liegen oft Welten, innerhalb eines eigentlich reichen Landes. Das empfinde ich tatsächlich als eine Art der Menschenverachtung.

Fantasiespiel: Du bist Königin deines eigenen Landes und kannst dir ein Gesundheitswesen erschaffen:

Ich würde von Grund auf den jüngsten Menschen ein anderes Bewusstsein vermitteln. In Bezug auf sich selbst und ihren Körpern. Auf die Fragen: Was ist Gesundheit? Was ist Krankheit? Was ist Heilung? Was ist eine gesunde Lebensführung? In diese Art von Bildung würde ich investieren. Erst dann kann man konzeptionieren, was an Maßnahmen notwendig wären, wenn Menschen tatsächlich erkranken – wie es nunmal zum Leben dazugehört. 

Eigentlich geht es darum, zu lernen, wie man sich selbst heilt. Wie man das Leben in die eigene Hand nimmt und damit die Verantwortung für den eigenen Prozess zwischen Gesundheit und Krankheit zu verstehen. Wenn wir diese Übersetzungsarbeit für uns selbst machen können, ist viel gewonnen. So werden wir unabhängiger von äußeren Hilfsmaßnahmen und Institutionen. Wir taumeln nicht mehr suchtanfällig durchs Leben. Es braucht also ein ganz anderes Grundniveau. Alle kreativen, künstlerischen Zugänge würde ich stärken. Wir brauchen mehr Freude, die uns lebendig macht und erhält, mehr Beziehungsqualität, Kommunikationsfähigkeiten, Schaffensdrang. Wir brauchen ein anderes Menschenbild und Verständnis für das Potential, das in uns wohnt.

Foto-Credit: Mirella Frangella, Veit Tempich, Ute Kamal Mägdefrau, Karoline Wolf, Jörg Thimel & MAGIC of SOUND 

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